Alltags:Leben Zusammen:Leben

LÖSUNGS:HUNGER

Darum kann unser Hunger nach klaren und endgültigen Lösungen eine wahre Versuchung sein.
Wir vereinfachen über Gebühr.

Thomas Merton, in: Gewaltlosigkeit, Benziger Verlag Zürich 1986, S. 311

Die Unüberblickbarkeit des Lebens war schon immer ein Problem für uns Menschen –
ebenso wie die Undurchschaubarkeit von Lösungen.
Und so suchen wir Vereinfachung – in der Komplexität unseres Lebens, der Arbeit, der Wirtschaft und der Politik.
Wir erleben das in Plenarsälen, in Kirchengebäuden und in Firmen.
Wir hören das an Stammtischen, in Talkrunden und in Wohnzimmern.
Schwarz-weiß, richtig-falsch, links-rechts, ihr-wir – das drängt sich auf. Doch wir wissen alle: so ist das Leben in der Regel nicht. Manchmal ja – aber nicht „über Gebühr“, wie Thomas Merton das ausdrückt.
Dann nämlich bahnt Vereinfachung den Weg zu Selbstgefälligkeit, Populismus und Manipulation..
Dann wirkt Vereinfachung platt, anbiedernd – und gefährlich, denn das Ergebnis ist nicht selten Feind:Seligkeit.
Und die drängt auf Straßen, in Häuser und in Herzen.

Nicht für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung.
Nicht jede Frage hat eine einfache Antwort.
Gute Lösungen erfordern im Allgemeinen (und im Besonderen)
Abstand und Analyse,
Wille und Weisheit,
Vertiefung und Verstand..

Um es nochmal deutlich zu sagen:
Die Vereinfachung, die ich meine, darf nicht verwechselt werden mit „Zusammenfassen“ oder „Herunterbrechen“ oder „auf den Punkt bringen“. Die Vereinfachung, die ich beanstande,
missachtet die Komplexität,
verkürzt die Fakten,
emotionalisiert die Probleme,
bestätigt nur die eigene Meinung,
wirkt zerstörend und spaltend.

Die Lösung liegt also nicht im Vermeiden der Vereinfachung – sondern in unvoreingenommener Überprüfung, in offenem Meinungsaustausch und im gesunden Maß.

Also: Vorsicht vor Vereinfachung „über Gebühr“!

Das könnte dich auch interessieren