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SCHERBEN:TEMPEL

Denn Du, der Du in das zerbrochene Gefäß

Deine Sterne legst

der Du Deinen Tempel

lächelnd aus Scherben errichtest:

Du bist die Gnade.
Ernst Ginsberg (1904 bis 1964)

Das war einer der Höhepunkte meiner Urlaubslektüre!

Am Ostermontag 1935 war der jüdische Schauspieler und Regisseur Ernst Ginsberg zum katholischen Glauben übergetreten. Er nennt seinen Glauben eine „Liebesgeschichte zwischen Gott und Mensch“. Er war, wie er selbst es nennt, „vom Wesen Christi in Liebe ergriffen“ – so sehr, dass ihm keine Wahl blieb, „als ihm seinen Anspruch, Gottes Sohn zu sein, schlicht zu glauben“.
Seine schwere Lähmungserkrankung (ALS) und den Tod im Blick, sprach er davon, dass er diese Krankheit durch den „Glauben im Blick auf das Kreuz zu ertragen vermag“. Noch als er seine Sprache völlig verloren hatte, verfasste er Gedichte und Gebete, die er seiner Pflegerin durch Morsezeichen mit seinen Augenlidern diktierte.
Eins davon hat mich in den Urlaubstagen tief beeindruckt. Hier ein Ausschnitt:

Lass meine Hand nicht los, nie, mein Gott!
Und wenn ich versinke
und meinen Augen die Sterne entschwinden
verlass mich nicht!
Ich glaube!
[…]
Denn Du, der Du in das zerbrochene Gefäß

Deine Sterne legst

der Du Deinen Tempel

lächelnd aus Scherben errichtest:

Du bist die Gnade.

Aus der Tiefe rufe ich zu Dir:

Lass meine Hand nicht los, mein Gott!

Mög ich vergehen im Licht Deiner Sonne.

Verlass mich nie! Ich bin nackt und stumm.

Ich glaube.

Ernst Ginsberg, in „Abschied“ Erinnerungen, Arche Verlag Zürich 1965, S. 213

Was für ein beeindruckendes Gebet!
Und wie bildkräftig er beschreibt, wie sehr Gott ihm entgegenkommt!
„Der Du in das zerbrochene Gefäß Deine Sterne legst“
„Der Du deinen Tempel lächelnd aus Scherben errichtest“

Das sind Worte voller Staunen, voller Vertrauen, voller Hoffnung.
Wir wissen nicht, welches Erleben ihn gerade zu diesen Worten bewegt hat – aber wir ahnen, was er meint.
Geachtet. Gewürdigt. Geadelt. Geliebt.
Mitten im Zerbruch.

Ginsberg nennt sein Gedicht „De profundis“ (Aus der Tiefe).
Dadurch verknüpft er sein Gebet mit einem bekannten Text aus der Bibel – Psalm 130:
„Aus der Tiefe rufe ich, HERR, zu dir. Herr, höre meine Stimme!“

Ob sich mein Glaube in schweren Zeiten auch so glaubens- und hoffnungsvoll hören lassen wird?

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