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EWIGKEITS:VERBUNDEN

Wem Zeit ist wie Ewigkeit
und Ewigkeit wie Zeit,
Der ist befreit von allem Streit.

Jakob Böhme (1575 bis 1624), aus: Walter Nigg, Heimliche Weisheit, Diogenes Verlag Zürich 1992, S. 171

Es wird erzählt, dass Jakob Böhme diesen Satz vielen seiner Freunde ins Stammbuch geschrieben habe.
So wichtig war er für ihn.
Aber was bedeutet er?
Schon viele Deutungen hat er im Lauf der Jahrhunderte erlebt.
Das schönste Erklär-Gedicht kommt meiner Meinung nach von der deutschen Dichterin Luise Cuno (1835-1887):

Wie ein Pfeil enteilt dem Bogen,
Wenn der Schütz‘ ihn hält bereit,
Also ist die Zeit verflogen;
Näher kommt die Ewigkeit.
Was da grünet, was da blühet,
Das wird bald ein dürres Laub;
Was in Erdenpracht erglühet,
Alles fällt der Zeit zum Raub.

Aber was von Oben stammet
Aus der Ewigkeiten Schoß,
Was in ew’ger Liebe flammet,
Das hat auch ein ewig Los.
Als der Heiland ist erschienen,
Kam die Ewigkeit zur Zeit
Und sein Tod und Leben dienen
Aufzulösen diesen Streit.

Wo Er sich mit uns verbindet,
Da ist sel’ge Ewigkeit;
Wo die Seel‘ Sein Antlitz findet,
Dringt das Ew’ge in die Zeit.
Wo man Seine Näh‘ genießet,
Da giebt’s nur ein selig Nu,
Wo Sein Leben sich ergießet,
Da ist ew’ge, sel’ge Ruh‘!


Luise Cuno interpretiert „Zeit“ hier als Ursache der Vergänglichkeit – und Ewigkeit als Abwesenheit jeglicher Begrenztheit. Wir sind vergänglich – Gott ist ewig. Wir sind zeitgebunden – der ewige Gott ist frei.
So frei, dass er in die Zeit tritt. Die unendliche Liebe drängt in die Endlichkeit.
So grenzenlos ist der ewige Gott, dass er in der Zeit Raum findet.
Bestes Beispiel, dichtet Cuno, sei die Menschwerdung Gottes.
Durch Jesus wird Ewigkeit sichtbar und greifbar – mitten in der Zeit.
Überraschend. Denn in der Regel ist das Ewige unsichtbar, sagt Paulus (1. Korinther 4,18).
Nur bei Jesus wird diese Regel durchbrochen.
Ewigkeit tritt in die Zeit.
Jesus verbindet durch sein Leben und seinen Tod den bestehenden „Zeit-Ewigkeit-Streit“.
Ab sofort ist es möglich in Raum und Zeit den Geschmack des Ewigen zu kosten …
und zwar jedesmal, wenn der Ewige sich mit uns verbindet,
jedesmal, wenn wir uns in seiner Nähe befinden,
jedesmal, wenn wir ihm irgendwo, irgendwie begegnen.
Jesus hat den Streit zwischen Zeit und Ewigkeit beendet.
Was für eine starke Ewigkeits-Sicht!

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