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Die Größe des Gebets beruht vor allem darauf,
dass ihm nicht geantwortet wird
und dass dieser Austausch nichts
mit einem schäbigen Handel zu tun hat.
Und ich ahnte, dass das Erleben des Gebets
im Erlernen des Schweigens besteht
und dort erst die Liebe beginnt,
wo keine Geschenk mehr zu erwarten ist.
Die Liebe ist vor allem Übung des Gebens
und das Gebet Übung des Schweigens.
Antoine de Saint-Exupéry, Gebete der Einsamkeit, Karl Rauch Verlag, Düsseldorf, 2024, S. 65
Nicht selten kämpfen wir damit, dass Gebete scheinbar ohne Antwort bleiben.
Antoine de Saint-Exupéry denkt ganz anders.
Er behauptet, dass Gebet vor allem dadurch identifiziert wird, dass es kein Handel ist.
Nicht „ich frage – Gott antwortet“.
Nicht „ich liefere Probleme – Gott gibt Lösungen“.
Nicht „ich bitte – Gott gibt“.
Keine Vertragserfüllung von Gottes Seite aus.
Kein Bündnis für die Erfüllung von Wünschen.
Kein Tausch von Leistungen.
Gebet ist mehr.
Gebet ist Hingabe. Gebet ist Schweigen. Gebet ist Gemeinschaft.
Antoine de Saint-Exupéry ist der Überzeugung:
Es geht beim Gebet nicht um meine Wünsche – sondern um meine Liebe.
Es geht nicht um’s Nehmen, sondern um’s Geben.
Es geht nicht um Geschenke, sondern um Hingabe.
Denn: Gebet ist Liebe.
Der jüdische Philosoph Abraham Joshua Heschel beschreibt diesen Zusammenhang mit den Worten:
„Zweck eines Gesprächs ist, zu informieren; Zweck des Gebets ist Teilhabe“
Es geht beim Gebet also nicht um Wunscherfüllung durch Gott, sondern um Begegnung mit Gott – in allen Facetten, die eine Begegnung haben kann.
Wir dagegen beten viel zu oft, „um zu bekommen“ – und nicht „um zu begegnen“ …
„um zu profitieren“ – und nicht um „einfach nur liebend da zu sein“.
Saint-Exupéry fasst zusammen:
„Die Liebe ist vor allem Übung des Gebens und das Gebet Übung des Schweigens.“
Liebe lebt vom Geben … Gebet vom Schweigen.
Es geht beim Gebet nicht in erster Linie um das Formulieren von Worten, sondern um das Erlernen von Schweigen. Wahrscheinlich meint er:
Genuss-Schweigen,
Zuhör-Schweigen,
Zustimmungs-Schweigen,
Nachdenk-Schweigen,
Gelassenheits-Schweigen,
Ruhe-Schweigen,
Ehrfurcht-Schweigen.
Eben alles, was auch zum „Schweigen der Liebe“ gehört …


