Alltags:Leben Zusammen:Leben

MEINUNGS:VIELFALT

Wir müssen sie beide lieben,

diejenigen, deren Meinung wir teilen

und die, deren Meinung wir ablehnen.
Denn beide haben sich abgemüht

auf der Suche nach der Wahrheit

und beide haben uns geholfen,

sie zu finden.
Thomas von Aquin (1225 – 1274)

Auf der Suche nach der Wahrheit begegnen wir Menschen, die unsere Meinung teilen – und Menschen, deren Meinung wir ablehnen. Das wurde in den vergangenen Wochen deutlicher denn je …
Wir leben – Gott sei Dank – in einem Land, in dem unterschiedliche Ansichten möglich sind.
Meinungsfreiheit nennen wir das.
Und doch scheinen andere Standpunkte nicht erwünscht zu sein.
Wie wir selbst die Dinge sehen, scheint der einzig mögliche Weg zu sein. So verhalten wir uns zumindest …
Deshalb entdecke ich in mir mehr und mehr eine Angst, Gegenpositionen einzunehmen, weil man so schnell in eine Ecke gedrängt wird, so schnell missverstanden wird, so schnell verurteilt wird.
Dann passiert es:
Manche Gedanken sind nicht mehr denkbar.
Manche Betrachtungsweisen werden nicht mehr beachtet.
Manche Sichtweisen wollen nicht mehr gesehen werden.
Meinungsvielfalt ist mehr und mehr unerwünscht.
Und Meinungskampf rangiert weit vor Beziehungserhalt.

Woher kommt das? Warum sind wir so einspurig geworden?
Liegt es daran, dass wir anderen Sichtweisen deren Ernsthaftigkeit schlechtreden,
dass wir anderen Überzeugungen deren Wahrhaftigkeit totreden,
dass wir anderen Deutungen deren Bedeutung kleinreden?
Könnte sein.
Vielleicht auch daher, dass wir ab und zu falsche oder gegensätzliche Motive vermuten.
Wir wissen alle, wie sehr Motive die Meinungen lenken … und manchmal auch fehlleiten.
Und doch können wir nicht ins Herz der Meinungsäußerer sehen.
Motive sind im Grunde unsichtbar.
Viel zu schnell unterstellen wir anderen Menschen schlechte Absichten. So werden wir zu Verurteilenden … und leider auch manchmal zu Verurteilten – denn auch unsere Motive werden missverstanden und beanstandet.
Also: Vorsicht bei vorschnellen Motiv-Unterstellungen.
Meinungen sind das Eine – aber die Menschen dahinter das Andere.
Meinungen muss auch mal widersprochen werden – Menschen aber müssen grundsätzlich angenommen werden, inklusive ihrer Motiv-Verirrungen.

Und noch was:
Interessanterweise geht es in den Sätzen direkt vor diesen Worten Thomas von Aquins nicht um politische, sachliche oder zwischenmenschliche Meinungen, sondern um Meinungen zum christlichen Glauben.
Ein wichtiger Hinweis darauf, dass vor allem Glaubende alle Menschen unvoreingenommene lieben sollen.
Auch die Bibel findet dazu Worte:
Bleibt niemandem etwas schuldig,
außer einander zu lieben! (Römer 13,8)

Das ist eindeutig.

Das könnte dich auch interessieren