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Die Seele sucht mit allen ihren Kräften und Bewegungen Ruhe, ob der Menschen es weiß oder nicht weiß. Er tut kein Augen auf oder zu, ohne dabei Ruhe zu suchen. Entweder will er etwas von sich werfen, das ihn hindert, oder er will etwas an sich ziehen, worauf er ruhen kann. Um dieser zwei Dinge willen tut der Mensch alle seine Werke.
Meister Eckhart (1260 bis 1328), in seiner Predigt 60, DW III, 14, 8-16, 2
In Baden-Württemberg haben in dieser Woche die Sommerferien begonnen.
Zeit der Erholung. Zeit der Ruhe.
Viele haben sich danach gesehnt.
Klar: im Urlaub suchen wir Ruhe.
Meister Eckhart aber behauptet in einer seiner Predigten, dass die Ruf nach Ruhe in unserer Seele unaufhörlich widerhallt.
Wir suchen nicht ab und zu mal Ruhe – wir tun das immer.
Wir sind nicht zu denken ohne die Sehnsucht nach Ruhe.
Wir können nicht anders. Es ist Teil unseres Wesens.
Als ich den Satz das erste Mal gelesen habe, war ich skeptisch.
Ist das wirklich so?
Ist die Ruhe:Suche so zentral für uns Menschen?
Ist das Bedürfnis nach Ruhe so umfassend?
Inzwischen denke ich, dass Meister Eckhart recht hat.
Es ist offensichtlich eine „Ursehnsucht“ des Menschen, zur Ruhe zu kommen bzw. in Ruhe und Gelassenheit aktiv zu sein. Keiner will hektisch sein und wirken. Jeder bewundert Menschen, die Ruhe ausstrahlen.
Eckhart begründet das mit der Beobachtung, dass jeder Mensch sich bemüht, Dinge loszuwerden, die ihm die Ruhe nehmen – oder Dinge zu vereinnahmen, die ihm die Ruhe sichern.
In Ruhe arbeiten können,
ungestört mit den Liebsten zusammensein,
unbeschwert den Urlaub genießen,
im Frieden leben,
gesund bleiben,
im Gleichgewicht sein,
Beständigkeit erleben,
sicher sein,
mit Gelassenheit gesegnet sein –
dass wir alles das so sehr lieben, beweist unsere Sehnsucht nach Ruhe.
Ja. Wir suchen wirklich „mit allen Kräften und Bewegungen Ruhe“!
Gut zu wissen, was uns antreibt …
Ab und an passiert es aber, dass wir zwar die Ruhe suchen, allerdings an den falschen Plätzen und mit den falschen Mitteln. Uns ist zwar momentan alles „zu viel“ – aber wir laden uns durch unsere Suche „noch viel mehr“ auf. Manchmal denken wir, dass Ablenkung uns Hilfe schaffen würde – oder Genussjagd.
Und dann wundern wir uns, dass wir nicht zur Ruhe kommen …
Und noch etwas:
Im Text, aus dem das Zitat stammt, habe ich entdeckt, dass Meister Eckhart in seinen Aussagen den Begriff der Ruhe zusammenbindet mit dem Begriff des Friedens. Ruhe ist ohne Frieden nicht zu denken – ebensowenig Frieden ohne Ruhe.
Und der Höhepunkt des Textes ist der Teil, in dem Meister Eckhart Ruhe und Frieden mit Gott verknüpft.
Für ihn ist der dreieinige Gott selbst die vollkommene Ruhe und der vollkommene Frieden.
Das deckt sich mit einer Aussage von Paulus, der Jesus mit den Worten beschreibt:
„Er ist unser Friede.“ (Epheser 2,14)
Ruhe finden wir bei ihm – heute und auf ewig.
Oder mit Augustinus Worten gesagt:
„Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir, mein Gott.“


