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SCHMETTERLINGS:EFFEKT

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

Rainer Maria Rilke (1875 – 1926), in: 50 Gedichte, Reclam Verlag Ditzingen 2019, S. 16



Im Alter von 90 Jahren starb im Jahr 2008 der amerikanische Mathematiker und Meteorologe Edward Lorenz. Er entdeckte 1963, dass bereits eine kleine Veränderung einer kleinen Zahl innerhalb einer komplexen Rechnung zu völlig anderen Ergebnissen führt. Kleine Ursache, große Wirkung.
Er verwendete zur Erklärung dieser Erkenntnis das Beispiel des „Schmetterlingseffekts“.
Sagt aus: Ein Schmetterling, der in Shanghai mit seinen Flügeln wackelt, kann theoretisch in New York für einen Wirbelsturm sorgen.

Heißt, übertragen auf die Meteorologie,
dass das Wetter oft durch geringe Einflüsse global und kurzfristig Änderungen erfährt. Wetter ist und bleibt chaotisch (seine Theorie heißt daher auch „Chaostheorie“).
Heißt für das Leben,
dass langfristige Aussagen über die Zukunft nicht möglich sind.
Heißt für uns Menschen – vereinfacht gesprochen –,
dass wir eigentlich unser Leben nicht wirklich im Griff haben.

Dazu passen die o.g. Zeilen aus dem Herbst-Gedicht von Rainer Maria Rilke:
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
Unendlich sanft in seinen Händen hält.


„Es ist in allen.“, sagt Rilke.
Keiner hat sein Leben in der Hand.
Keiner kann für seine Unversehrtheit garantieren.
Keiner kann für seine Standhaftigkeit geradestehen.
Aber da ist „Einer, welcher das Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält“.
Das ist Gott!

Fazit:
Wir haben’s nicht in der Hand – aber wir sind in Gottes Hand.

Ungewohnt?
Trotzdem bleibe ich dran, mir diesen Gedanken zur Gewohnheit zu machen.
Unglaublich?
Trotzdem übe ich es ein, das zu glauben.

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