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WAHRHEITS:FRAGE

Wir gleichen Pilatus.
Wir fragen stets: „Was ist Wahrheit?“ und kreuzigen dann die Wahrheit, die vor unseren Augen steht. […]
Wenn ich frage: „Was ist Wahrheit?“ erwarte ich entweder eine Antwort, oder ich erwarte keine. Pilatus erwartete keine. […] Er meinte, die Frage lasse sich nicht beantworten. […] Wenn er aber durch diese Überlegung behaupten wollte, es gäbe keine Wahrheit, so widerlegt er seine eigenen Behauptung eben dadurch, dass er sie dachte. […]
Was also ist Wahrheit?
Die Wahrheit der Dinge ist ihre Wirklichkeit. In unserem Denken ist die Wahrheit die Übereinstimmung unserer Erkenntnis mit dem Erkannten. In unserem Reden die Übereinstimmung der Worte mit dem, was wir denken. In unserem Verhalten die Übereinstimmung unseres Handelns mit dem, was wir sein sollen.

Thomas Merton, Keiner ist eine Insel, Benziger Verlag Einsiedeln 1958, S. 180

Pilatus – eine wichtige Person der Passionszeit.
Nicht nur bekannt für sein Hände-in-Unschuld-waschen, sondern auch für seine Wahrheitsfrage.
Thomas Merton analysiert: „Wir gleichen Pilatus“.
Es ist die Frage nach der Wahrheit, die uns ihm gleich macht. Die Frage nach der Wahrheit, die – wie das bei Pilatus der Fall ist – keine Antwort erwartet. Die Frage nach der Wahrheit, die eigentlich hofft, dass diese Frage keine Antwort hat.
Interessant ist, dass Jesus diese Frage nicht direkt beantwortet. Eine Antwort bleibt aus.
Vielleicht, weil Jesus sie in den Sätzen, die er kurz zuvor sagte, bereits beantwortet ist („Ich soll als Zeuge für die Wahrheit eintreten. Jeder, der selbst von der Wahrheit ergriffen ist, hört auf das, was ich sage“, Johannes 18,37 NZB) – oder weil er selbst die Antwort in seiner Person beantwortet weiß. Vielleicht aber auch, weil es keine einfache Antwort auf die Frage gibt …
Egal, warum das so ist – wir verhalten uns im Leben oft genau so:
Wir stehen vor der Wahrheit (wie Pilatus vor Jesus), fragen aber trotzdem danach.
Wir sehen sie, aber wir deuten sie nicht.
Wir wissen sie, aber wir reden sie nicht.

Thomas Merton versucht deshalb, für unser Leben eine Antwort auf die Frage zu finden. Er geht dabei von dem aus, was Jesus vorbildlich und „wirklich“ gelebt hat. Drei Dimensionen der Wahrheit nennt er:
1. Die Übereinstimmung unserer Erkenntnis mit dem Erkannten.
Jesus bezeugt diese Wahrheit. Er lebt, was er erkannt hat. Es gibt bei ihm keine Trennung von Erkenntnis und Erfahrung. Einheit von Lehre und Leben. So bezeugt er aller Welt die Wahrheit.
2. Die Übereinstimmung unserer Worte mit unserem Denken.
Jesus bezeugt auch das mit seinem Leben. Sein Denken über Gott und die Welt stimmt überein mit seinen Worten. Einheit von Wissen und Worten. So bezeugt er aller Welt die Wahrheit.
3. Die Übereinstimmung unseres Handelns mit unserem Sein.
Jesus zeigt das vorbildlich. Einheit von Handeln und Sein. Er tut, was er ist. Er ist wahrer Gott und wahrer Mensch – und das prägt sein Tun. Nichts in seinem Verhalten widerspricht seiner Berufung. Einheit von Identität und Aktivität. So bezeugt er aller Welt die Wahrheit.

Und genau auf diese Art und Weise soll die Wahrheit auch bei uns ins Leben:
Einheit von Lehre und Leben,
von Wissen und Worten,
von Identität und Aktivität.
So lebt man Wahrheit!
Innerhalb und außerhalb der Passionszeit.

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