Alltags:Leben Glaubens:Leben

WESENTLICH:WERDEN

Foto von Zoltan Tasi auf Unsplash

Mensch, werde wesentlich; denn wenn die Welt vergeht,
so fällt der Zufall weg, das Wesen, das besteht.

Angelus Silesius (1624 bis 1677), aus: Walter Nigg, Heimliche Weisheit, Diogenes Verlag Zürich 1992, S. 19

In der mittelalterlichen, scholastischen Philosophie spielt das „Wesen“ eines Menschen oder eines Gegenstands eine große Rolle.
Das Wesen ist das „Eigentliche“,
der Zweck des Daseins,
die Bestimmung des Lebens.
Das, was bleibt.

Was im Gegensatz dazu nicht zum Wesen gehört ist – so nennt das Silesius – „Zufall“,
ist nebensächlich,
kann wechseln,
ist austauschbar.
Es gefährdet niemals das eigentliche Wesen, sondern berührt es lediglich.
Und, so Silesius: „Wenn die Welt vergeht, so fällt der Zufall weg.“

Was uns zufällt – der „Zufall“, mag uns manchmal gefallen, manchmal auch missfallen.
Es bleibt immer austauschbar.
Was uns zufällt, ist lediglich geliehen, anvertraut, gegeben.
Es bleibt immer an der Oberfläche
Was uns zufällt, kann auch schnell wieder wegfallen und zerfallen.
Es bleibt immer vergänglich.
Zufall ist „unwesentlich“!

Es wäre also unsinnig,
unser Leben auf diese Dinge auszurichten.
unser Selbstwertgefühl davon abhängig zu machen.
unser Wohlbefinden dafür auf‘s Spiel zu setzen,
unser Herz daran zu hängen.

Trotzdem tun wir manchmal genau das und verschwenden unendlich viel Zeit damit, dieses „Un-Wesentliche“ darzustellen und zu vermehren. Wir verwechseln unser wahres Wesen mit „Zufällen“,
mit Material, das wir angehäuft haben,
mit Wissen, das wir uns angeeignet haben,
mit Fähigkeiten, die bei uns blühen,
mit Freude, die uns gegeben ist,
mit Schwierigkeiten, die uns getroffen haben.
Leider.

Deshalb ruft Silesius: „Mensch, werde wesentlich!“
Aha.
Wesentlich „sind“ wir also gar nicht von Geburt an. Wesentlich „werden“ wir.
Aber wie?
Indem wir uns auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist?
Indem wir unabhängig werden von Menschen, Dingen, Umständen?
Indem wir für uns finden, was unvergänglich ist?
Indem wir täglich Gott suchen, der immer „wesentlich“ ist – und „wesentlich“ Liebe ist?

Das könnte dich auch interessieren