Jeder von uns nimmt ein Stück Raum ein, das ihm allein gehört.
Das Stück Raum, das mein Körper einnimmt, wird von mir selbst unter Ausschluss aller anderen eingenommen.
Niemand jedoch besitzt Zeit. Es gibt keinen Augenblick, der mir allein gehört. Dieser jetzige Augenblick gehört allen lebenden Menschen genauso wie mir.
Abraham Heschel, Der Sabbat, Patmos Verlag, Ostfildern, 2022, S. 100
Das Welt begegnet uns als ein dreidimensionaler Raum. Wir kennen die drei bekannten Raumdimensionen Höhe, Breite und Tiefe. In der Relativitätstheorie ist zusätzlich die Zeit eine vierte Dimension.
Wissenschaft und Philosophie beschäftigen sich seit vielen Jahrhunderten mit dem Phänomen der Zeit … und ihrem Verhältnis zum Raum.
Nachdenkenswerte Aussagen dazu habe ich bei dem jüdischen Schriftgelehrten und Religionsphilosophen Abraham Heschel gefunden.
In seinem Buch „Der Sabbat“ weist er auf interessante Zusammenhänge hin:
Wir Menschen besitzen Räume – Zeit können wir nie besitzen.
Wir beherrschen Räume – Zeit können wir nicht beherrschen.
Wir umgehen Räumen – Zeit können wir nie umgehen.
Das heißt zum Einen:
Den Raum und die „Dinge des Raums“ können wir ausweiten, erobern, gewinnen.
Und zum Anderen:
Die Zeit und die „Ewigkeit in der Zeit“ können wir nicht steuern, nicht vorhersehen und nicht vermeiden.
Deshalb sagt Heschel an anderer Stelle: „Die Macht, die wir in der Welt des Raums erlangen, endet plötzlich an der Grenze der Zeit. Zeit aber ist das Herz der Existenz“ (S. 25).
Ein Hoch auf die Zeit!
Ich habe mir daher das Bekenntnis von David aus der Bibel angeeignet:
„Du bist mein Gott. Meine Zeit steht in deinen Händen.“ (Psalm 31,15+16)
Zeit ist – wie Ewigkeit – der Wirkungsbereich Gottes. Seine Hände, seine Zeit, mein Gott.
Gott ist ein Gott der Ereignisse. Deshalb spricht die Bibel auch mehr von Zeitgeschichte als von Raumgewinn.
Räume sind Diener des Augenblicks – und nur die Augenblicke machen Räume bedeutungsschwer und wirkungsvoll.
Interessant ist – ausgehend von diesen „Gotteszusammenhängen“ auch der Hinweis von Abraham Heschel an anderer Stelle:
„Die Grundtatsachen des Glaubens liegen im Bereich der Zeit.“ (S. 31)
Glaube lebt also nicht von Räumen, sondern von Ereignissen.
Beten zum Beispiel braucht keine festen Orte. Wir können überall zu Gott, dem Herrn der Zeit, beten.
Und was unseren Glauben stärkt und bereichert, lebt nicht von den Dingen des Raums, sondern von den Geschehnissen der Zeit –
von Geschichte, von Begegnungen, von Erkenntniserfahrungen, von Wirkungen, von Offenbarung, von Segen, von Geist.
Gut zu wissen …




