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LEBENS:DRACHEN

Vielleicht sind alle Drachen meines Lebens Prinzessinnen, die nur darauf warten, uns einmal schön und mutig zu sehen.
Vielleicht ist alles Schreckliche im Grunde das Hilflose, das von uns Hilfe will.
Rainer Maria Rilke, in: Briefe an einen jungen Dichter (Franz Xaver Kappus), 1904

Dieser bekannte Abschnitt aus einem Brief Rilkes an Franz Xaver Kappus deutet eine oft übersehenen Lebenswirklichkeit an:
Wir bleiben mit uns im Widerspruch – unser ganzes Leben.
Wir beabsichtigen das Gute und tun das Böse,
wir planen das Konstruktive und verwirklichen das Destruktive,
wir suchen ein Leit-System und etablieren ein Leid-System,
wir möchten lieben und grenzen doch aus.
Anders gesagt:
Wir streben an „Prinzessinnen“ zu sein … und leben doch viel zu oft den „Drachen“.
Wir wissen eigentlich, was gut für uns und andere wäre … und beschreiten doch die Gegenrichtung.
Für uns alle gibt es – in jeder Situation – die erschreckende Möglichkeit, gegen uns selbst entscheiden zu können.

Viel zu häufig bewahrheitet sich in uns (und durch uns) die Selbst-Beobachtung von Paulus:
„Nicht, was ich will, treibe ich voran, sondern was ich hasse, das tue ich“ (Römer 7,15).
Und nun?
Wie können aus den „Drachen“ unseres Lebens „Prinzessinnen“ werden?
Wie können wir den Zweispalt zwischen Wille und Handeln bekämpfen?

Wichtig ist, wie wir mit unseren „Drachen“ umgehen …
ob wir das in uns füttern, was lebensbejahend ist – oder das, was lebensverneinend ist,
das was sinnstiftend ist – oder das, was sinnzerstörend,
das was aufbauend ist – oder das, was herabsetzt,
das was gütig ist – oder das was gnadenlos ist.
Anderen gegenüber … und für uns selbst.

Wichtig ist auch, dass wir die „Drachen“ unseres Lebens nicht verleugnen.
Dass wir die unschönen Seiten unseres Verhaltens und unserer Haltungen realistisch sehen,
dass wir die Möglichkeit, gegen uns selbst zu sein, nicht leugnen.
Denn nur so können wir das Gute gegen diese Antikräfte besser durchsetzen.
Es geht nicht um eine „Fixierung“ der Drachen, denn das würde uns machtlos machen –
sondern um eine „Realisierung“, denn das lässt uns handlungsfähig und entscheidungswillig bleiben.
Was wir uns dagegen nicht bewusst machen, beherrscht uns irgendwann. Es bekommt ein Eigenleben in uns.
Was wir erkennen, können wir bekämpfen, verändern, befreien. Vom Drachen zur Prinzessin.

So verstehe ich auch die oben genannte Aussage von Paulus.
Er macht sich bewusst, dass sein Tun oft seinem Willen widerspricht.
So aktiviert er seinen Verstand, kalibriert seinen Willen – und bekämpft so unachtsames, unwillkürliches, ungewolltes Handeln.

Das will ich heute ins Denken und Leben nehmen.
Das hilft.

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