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KRAFT:AUSDRUCK

Heftigkeit ist nicht Kraft, geräuschvolles Wesen ist ohne Ernst. Heftigkeit ist ein Zeichen der Schwäche.
Einfluss werden wir nur gewinnen durch
Ruhe, Bescheidenheit und Schweigsamkeit.

Charles Kingsley (1819 bis 1875), aus: Schaible (Hg.), Geistige Waffen, Ein Aphorismen-Lexikon, P. Waetzel-Verlag 1901

Ein heftiger Satz:
„Heftigkeit ist ein Zeichen der Schwäche“.

Das klingt so ganz anders, als das, was uns heute vorgelebt wird!
Denn:
Heftig zu reagieren, ist normal geworden.
Wut hinauszuschreien, hat sich etabliert.
Zornig Kante zu zeigen, wird bewundert.
Die (vermeintliche) Wahrheit muss immer gesagt werden – zur Zeit und zur Unzeit.
Nur so kann man Einfluss gewinnen, nur so kann man etwas verändern – sagen sie … und denken wir.

Der Ton, den der englische Theologe, Reformer und Schriftsteller Charles Kingsley anschlägt, klingt ganz anders …
Er spricht der Heftigkeit ihre Kraft ab … und ihren Ernst.
Vielleicht deshalb,
weil sie oft den Blick trübt, die freie Sicht nimmt, das Ziel aus dem Auge verliert.
Vielleicht auch,
weil sie nur in eine Richtung drängt – dagegen.
Und vielleicht,
weil sie meist die Liebe vernachlässigt, die Ruhe verliert, die Worte gedankenlos ausspeit.
Und ganz sicher,
weil Heftigkeit so oft mit Leidenschaft, Ehrlichkeit und Geradlinigkeit gleichgesetzt wird.
Die „schwache Heftigkeit“, von der Kingsley spricht, mag vielleicht ihren Ursprung in Leidenschaft und Wahrhaftigkeit haben. Doch sie ist kraftlos, weil ihr die Ruhe, die Demut und das Schweigen fehlt.
Mehr noch: Heftigkeit ist wirkungslos, weil sie lauter schreit als die Wahrheit und weil sie die Liebe übertönt.

Deshalb gibt Kingsley an anderer Stelle sehr konkrete Hinweise, wohin unsere Heftigkeit niemals führen darf:
„Beschäme niemals einen Menschen, so töricht und unwissend er auch sein mag, und setze ihn nie in Verlegenheit, vor allen Dingen niemals ein Kind. […] Vernichte nie durch Mutwillen, Argwohn, Hohn und Spott, was in deinen Mitmenschen das Edelste ist.“

Eine Heftigkeit, die die Würde der Menschen durch Worte und Taten „antastet“, ist würdelos.
Eine Wahrheit, die gnadenlos und beschämend gesagt wird, ist in Wahrheit schwach.
Schwach ist sie deshalb, weil sie nichts Gutes bewirkt, keinen positiven Einfluss hat – denn sie führt nicht zur Besserung, sondern mündet nicht selten in Verletzung, Auflehnung und Unterdrückung.

Und was nun?
Wie können wir wirklich Einfluss auf unsere Mitmenschen gewinnen?
Kingsley hat auch hier eine Antwort, die wohl erst im Lauf seines Lebens in ihm emporgewachsen ist:
„Je älter wir werden, desto mehr erkennen wir,
dass der Geist der Weisheit der Geist der Liebe ist,
dass die Liebe das wahre Mittel ist, wodurch wir Einfluß auf unsere Mitmenschen gewinnen.“


Liebe als „Einfluss:Mittel“.
Liebe als Kraft.
Liebe, die ohne Wirkungsverlust in „Ruhe, Bescheidenheit und Schweigsamkeit“ gelebt werden kann.
Liebe, die im Zusammenspiel mit der Wahrheit, Veränderung bewirkt und Frieden möglich macht.

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