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Alles beginnt mit der Sehnsucht,
Nelly Sachs (1891 bis 1970), aus: Eli – Ein Mysterienspiel vom Leiden Israels
Advent ist eine Zeit des Wartens, sagt man. Ich mag’s schon fast nicht mehr hören … jedes Jahr die gleiche Aussage.
Wenn ich recherchiere, lese ich, dass die Adventszeit seit Ende des vierten Jahrhunderts gepflegt wurde. Zunächst war sie drei Wochen lang. Es wurde gefastet … ähnlich wie in der Passionszeit vor Ostern. Irgendwann waren es sechs Wochen und zwei Jahrhunderte später wurde die Zeit auf vier Wochen reduziert.
Immer sollte die Zeit mit einer Art Bewusstmachung der „Weihnachtsgeschichte“ einhergehen. Alles sollte die sog. „Menschwerdung“ atmen: Gott wird Mensch in Gestalt von Jesus. Gott kommt sichtbar auf der Erde an (Advent = Ankunft).
Das ist die ursprüngliche Bedeutung und Ziel der Adventszeit – ganz ohne Beiwerk.
Und nun zum Warten.
Es gibt ja unterschiedliche Arten des Wartens.
Ein gelangweiltes Warten,
ein quälendes Warten,
ein ungeduldiges Warten …
und glücklicherweise auch ein sehnliches Warten.
Je länger sich eine Wartezeit hinzieht, desto stärker wird die Sehnsucht der Erfüllung.
So ist das beim Warten auf einen Bus, beim Warten auf Gesundheit, beim Warten auf eine Lebensänderung … und beim Warten auf die Nähe eines geliebten Menschen.
Sehnsucht hat ein Ziel, eine Absicht, eine Erfüllung. Sehnsucht gibt dem Warten einen Sinn.
Deshalb nun zur Sehnsucht:
Nelly Sachs, die jüdische Schriftstellerin, dichtet:
„Alles beginnt mit der Sehnsucht„
… und ein unbekannter Autor ergänzt diese vielzitierte Aussage durch die adventliche Erklärung:
„immer ist im Herzen Raum für mehr,
für Schöneres, für Größeres.
Das ist des Menschen Größe und Not:
Sehnsucht nach Stille, nach Freundschaft und Liebe.
Und wo Sehnsucht sich erfüllt,
dort bricht sie noch stärker auf.
Fing nicht auch Deine Menschwerdung, Gott,
mit dieser Sehnsucht nach dem Menschen an?
So lass nun unsere Sehnsucht
damit anfangen,
Dich zu suchen,
und lass sie damit enden,
Dich gefunden zu haben.“
Der Prolog für die Adventszeit ist die Sehnsucht Gottes („Fing nicht auch Deine Menschwerdung, Gott, mit dieser Sehnsucht nach dem Menschen an?“).
Gott sehnt sich nach uns! ER wartet …
Das war schon immer so. Immer schon drängt Gott zu den Menschen, will unmittelbar mit ihnen zusammen sein, bei ihnen sein. Und mit Jesus findet diese Sehnsucht eine Erfüllung. Gott wohnt buchstäblich unter seinen Geschöpfen.
Die Sehnsucht Gottes bahnt sich den Weg vom Himmel auf die Erde, von der Ewigkeit in die Zeit.
Daran denken wir im Advent.
Das feiern wir an Weihnachten.
Und nun?
Wir könnten diese Worte beten:
„So lass nun unsere Sehnsucht
damit anfangen,
Dich zu suchen,
und lass sie damit enden,
Dich gefunden zu haben.“
Was für eine wunderschöne Sehnsuchtsaufgabe für die „Wartezeit Advent“ …


