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WARTEN:KÖNNEN

Foto von Guilherme Stecanella auf Unsplash

Der wartende Mensch weiß:
Das Tiefste, Beste kann man überhaupt nicht machen – es wird.
Gott schafft es, und Natur, seine Magd. Dem muss man Zeit lassen, Raum geben. […] Auf diese rechte Zeit muss man achten, und das heißt wiederum warten.
Warten bedeutet also, dass man dem schaffenden Gott freie Bahn gebe, freie Bahn der wirkenden Natur. Zugleich aber auch horchend sein, gehorsam für die rechte Zeit. […]
Wir haben ganz das Gefühl verloren dafür, wann es Zeit ist für etwas. Jeder liest jedes Buch an jedem Tag. Jeder singt jedes Lied in jeder Stunde. Wir meinen, man kann jedes Gespräch immer führen, jeden Brief jetzt so gut schreiben, wie nachher – wie entwurzelt sind wir geworden! Wie heimatlos unsere Worte, wie ortlos unser Werk!
Wir müssen wieder warten lernen.

Romano Guardini (1885 bis 1968), in: Briefe über Selbstbildung, Matthias Grünewald Verlag 2001, S. 137/38

Warten ist so anstrengend … aber auch so wichtig!
Wartenkönnen – das wissen wir alle – fällt uns nicht einfach in den Schoß. Wir müssen es zum Einen wollen und zum Anderen tun. Wir erleiden es oft … und wissen aus Erfahrung doch, dass nicht jede Tat, nicht jeder Gedanke, nicht jede Situation immer sofort „reif“ ist. Reife Taten, Gedanken, Situationen müssen er:wartet werden, nicht er:zwungen.
Zu schnell sind wir oft. Zu ungeduldig. Zu getrieben. Zu ruhelos.

Wir haben alle schon erlebt, dass es Situationen gibt, in denen wir den Eindruck haben, eine Sache ist noch nicht reif. Solche „unreifen“ Momente kosten unendliche viel Kraft. Und wir erleben, dass Taten unwirksam verpuffen, dass Gedanken verloren gehen und Situationen eskalieren.
Warum hat die gleiche Tat zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Wirkungen?
Warum wirken manche Bemühungen nicht – verändern aber zu einem späteren Zeitpunkt unfassbar viel?
Der Grund: entscheidend für die Wirksamkeit ist der richtige Moment.
Dann ist es „an der Zeit“. Dann ist eine Wirkung unausweichlich. Reif. Es fügt sich zusammen. Nichts kommt mehr dagegen an. „Es flutscht,“ sagen wir dann.

Das Fazit von Romano Guardini (im gleichen Kapitel des o.g. Buches):
Wartenkönnen und entschlossene Tat gehören zueinander.
Das Warten macht,
dass die Tat im rechten Augenblick kommt,
dass sie in die rechte Umgebung hineingestellt wird,
dass sie ihre ganze Kraft hat und ihr Ziel trifft.
Warten macht,
dass überhaupt eine Tat wird und nicht bloß etwas passiert.

Mein Fazit:
Wer weiß, dass „alles seine Zeit“ hat, muss warten lernen – ein Gespür dafür bekommen, wann etwas dran ist.
Weil ich an Gott glaube, vertraue ich darauf, dass er solche Zeitpunkte schafft, dass er wirkt, dass er Türen öffnet.
Und ich bete täglich, dass er mir ein Gefühl für reife Situationen gibt … und dann den Mut, das Nötige zu tun.
Ich bitte ihn um seine „Führungen und Fügungen“.
Mein Erfahrung ist:
Manchmal ist es besser, noch etwas zu warten.

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